Tomb Raider Reboot Review

von | Apr 10, 2013 | 0 Kommentare

Also ich habe auf dem PC gespielt, im Schwierigkeitsgrad mittel, nur Singleplayer. Grafikkarte und Arbeitsspeicher erfüllten gerade die Minimalforderungen, was vermutlich der Grund dafür war, daß es im Bereich Bergdorf (häufig passierter Aussichtspunkt im Herzen des Spiels) zu Slow Motion-Verhalten kam. Der große Rest lief flüssig, auch der Endkampf (..nach dem allerdings ein Teil der Abschlußsequenz schwarz blieb.)
 
Wie die Unmassen Namen im Abspann des Spiels vermuten lassen, hat Crystal einen gewaltigen Aufwand getrieben, um das Spiel zu dem zu machen was es ist. Den Spieler erwartet ein Feuerwerk an Gestaltungsdetails, abwechslungsreiche Gegenden und viele Zwischensequenzen nebst dazugehörigen Quicktime-Events. 
 
Sandstrand, Schiffswracks, mehrere Bunker und Tempel nebst Palast, kleine und große Wasserfälle, Wald und Höhlen, Berg(- und Kletter)dorf, vereiste Höhen mit irgendwelchen Kabeltürmen, frisch gebaute Assiunterkünfte und eine „geotermale“ Leichenhalle bieten genügend Spielraum für Lara. Und das ist für mich der wichtigste Pluspunkt des Spiels. Zugegeben, es ist nicht richtig das Tombraiderfeeling, da durch die ständig spürbare Anwesenheit der Assozialenhorden („Solari“) der Hauch von Ewigkeit fehlte. Den müssen wir dann schaffen, indem wir mit dem eisernen Besen, äh Schrotflinte auskehren, so daß endlich Ruhe und Frieden einkehren und die Rehe wieder friedlich grasen. Zumindest wenn man nochmal wiederkommt. Liebevoll anheimelnd sind auch die Artefakte, die überall man einsammeln kann und die zumindest (anders als in Anniversary) historisch genug aussehen. Großes Lob dafür.
 
An der Stelle zu unser wichtigsten Aufgabe im Spiel: dem Massakrieren von Gegnern. Die ursprüngliche Idee war laut der Promotion, das bisher bei Lara übliche automatische Zielen abzuschaffen, um damit den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen. Und natürlich so ganz nebenbei die (- dem aktuellen Angebot im Spieleregal zufolge zurzeit dominierenden? -) Anhänger von irgendwelchen Kriegspielen zu bedienen. Das Kampfsystem und die künstliche Intelligenz der Gegner machen also einen gewaltigen Schritt nach vorn und wenn man es (wie ich natürlich!) verpasst, Laras Waffen und Fähigkeiten regelmäßig upzudaten, wird es schnell zum Frustspiel. Ich habe erst nach dem Kampf am Hubschrauber der Barackenstadt alle Updates nachgeholt, was den Frust spürbar reduzierte. (Und natürlich auch den Kopfschmerz mit durch Kleinigkeiten ausgelösten Brechreiz – bisher habe noch nie ein nennenswertes Problem damit gehabt. Hier habe ich mal einen Großteil des Tages deswegen ausgesetzt.)
 
Nun hatte das traditionelle Tombraider etwas mehr zu bieten: es bestand immer mehr oder weniger aus einer Kombination von Wegsuche, seit es beim Klettern oder Türöffnen, dem Kampf, diversen Fallen (Zeitschaltungen, mechanische Vorrichtungen aller Art..), Rätseln und der Befriedigung des Sammeltriebs. Kampf und Sammeltrieb wurden ausreichend bedient, denke ich. Die Wegsuche ist noch ordentlich, die Rätsel wurden am Rand bedient und die Fallen fehlten völlig. 
Zugegeben, die Aufgabenverteilung war nie statisch, jedes Spiel bot nach seinen Möglichkeiten etwas neues und ließ etwas altes weg, aber das Missverhältnis ist offensichtlich und war wohl Absicht. Ein Beispiel: in einem Bunker (alias „modernes Grab“) haben wir den Strom zu unterbrechen, um durch das Wasser zu kommen. Soweit so traditionell. Kategorie Rätsel, die Lösung: das Boot von geeigneter Stelle aus schrittweise unter das Kabel ziehen. Meine erste Idee: mal auf das Kabel ballern. Nun ist Miss Croft zwar in der Lage, Seilpfeile in Kalksteinfelsen zu schießen, die sie über schwindelerregende Abgründe tragen und die jedem gesunden Menschenverstand trotzen. Aber leider ist sie nicht in der Lage, mal so ein dämliches Kabel durchzuballern. Warum? Na weil die Entwickler ihre Manpower anderswohin gesteckt haben.
 
Steuerung. Sicher waren es etwas mehr Tasten, die am PC zu bedienen waren, wichtig war Zielen, Schießen, Ausweichen, Nahkampf, Waffenwechsel, Seilpfeil, Springen, Laufen und Festhalten/Aktion. Tauchen konnte Lara nicht. Aber man konnte Tasten und Maus frei belegen und insofern war alles im grünen Bereich.
 
Und nun zur Story, dem häufig vernachlässigten Element von Computerspielen. Gott sei dank spielen wir diesmal nicht in fantast-atlantischen Welten und abgesehen von der stürmischen Königin und ihren vermoderten Samurai ist alles am Boden geblieben. Das ist schon viel wert, nachdem Underworld dem nordischen Gott Thor umstandslos Denkmäler in Thailand und Mexiko errichtete. Bissel Gespinne ist ja nötig, um das große Finale zu gestalten, aber bis dahin sollte das annäherungsweise real sein – und das haben sie ganz gut hinbekommen. 
 
Die Figuren: ich mochte den Koch, ich fand Roth und den alten Grim in den Sequenzen gut dargestellt, ebenso war die Ex-Polizistin ganz passabel. Der Heldentod von Wie-hieß-er-nochmal? auf dem Schiff war eine Kopie der vorherigen Todesfälle… Die Samantha hätte etwas mehr Profil verdient, schließlich gehen wir sie retten und wenn die Heldin die Jungfrau vor einem Drachen retten soll, dann sollte man in der modernen Zeit schon die Frage nach dem „Warum?“ beantworten können. Alles andere ist dümmliche Ritterromantik. Den Matthias fand ich als Person zu flach (am Ende nicht schlauer als mittelalterliche Eiferer) und gleichzeitig als Antagonist zu allgegenwärtig. Es hätte eines zweiten Antagonisten bedurft. Und die Persönlichkeit von Dr. Whitman war bezüglich ihres zwiespältigen Verhaltens auch nicht sonderlich glaubhaft, siehe sein Gefasel im letzten Dokument. 
 
Durch die wiederholten Zwischensequenzen und die Dokumente (ja, ich habe alle..) bekamen alle Figuren etwas Farbe, was sehr schön war; aber auch hier fehlte es an Manpower. Das sieht man z.B. daran, daß alle aufzufindenden Dokumente rot eingebunden waren, egal ob sie nun aus dem 3. Jahrhundert oder aus dem zweiten Weltkrieg stammten. Die Druckerei hab ich irgendwie übersehen, vielleicht findet sie noch einer und jagt sie in die Luft. 
 
Man kann die Handlung mal so zuspitzen und zusammenfassen: die wie immer hoffnungslos individualistischen, multikulturellen, grundgütigen und zunächst auch unfähigen Vertreter der ersten Welt knallen eine Armee Assozialer ab, die entsprechend dem Zeitgeschmack auch religiöse Fanatiker sind und die sich auf einer japanischen Trauminsel verschanzt haben. Und damit die Japaner nicht beleidigt sind (schließlich sind sie die Geldgeber und sollen das Spiel vermutlich auch kaufen…) taucht kein einziger lebender Japaner zum Abmurksen auf. Selbst Samantha ist laut Web eigentlich ursprünglich Portugiesin, ha! 
 
Laras Synchronisation… ja, die Stimmlage von Nora passte manchmal nicht zu dem Event, war unter- oder überdramatisiert, was erklärbar ist, wenn sie das tatsächlich ohne Spielvorlage sprechen musste. Was solls, es ist nicht wirklich wichtig.
 
Endgegner.. war leicht und geradezu sympathisch mit seinen Strubbelhaaren. Der ewig quatschende Zwischengegner auf dem Schiff („..du hast Wladimir getötet..“ – a) welcher Wladimir genau?, b) bist du sicher, daß du das nicht selbst warst? und c) such dir nen neuen Liebhaber..) war weit schwieriger, denn aus irgendeinem Grund funktionierte dort die Anzeige der Quicktimeevent-Hilfen nicht zeitgenau und ich hab dann nach einer Stunde Dauerduell mit geschlossenen Augen nach Gehör zugeschlagen. Und prompt klappte es.
 
Beinahe hätte ich es vergessen: der Riesendownload von Steam (das müssen über 2,5 GB gewesen sein) war natürlich auch Kacke. Mit der 2000er Internetverbindung dauerte das viel zu lange, und außerdem will ich ein komplettes Spiel auf DVD haben und nicht von der Leistungsfähigkeit einer Internetplattform abhängig sein. Bissel Internet-Registrierung: was solls, wenn es Raubkopien vorbeugt, damit die Verkaufsquote erhöht und das Aufwand-Nutzen-Verhältnis optimiert. Aber soviel Download bitte nicht.
 
Zusammenfassend wird wohl die Super-Gestaltung (+) in Erinnerung bleiben und das nervige Massaker (-), speziell wenn man nicht rechtzeitig genug die Fähigkeiten und Waffen updatet. Trotzdem ist es in jedem Fall absolut empfehlenswert.
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