Lara Croft ist schon durch die ganze Welt gereist. Bis 15. April noch macht sie mit einer Sonderausstellung im Berliner Computerspielemuseum Halt. Spontaner Impuls: Schnell ihr nach! Aber ist die Ausstellung einen Besuch wert?
Das Computerspielemuseum Berlin hat sich auf geschätzten 200 Quadratmetern bequem im Erdgeschoss eines Altbaus eingerichtet, der an der zentral gelegenen Karl-Marx-Allee liegt. Vom Herzen der Stadt, dem Alexanderplatz, nur wenige U-Bahnstationen entfernt und leicht zu finden. Aus dem Schaufenster lachen euch Miniaturen und Videostatuen an. Wenn ihr davorsteht, werdet ihr zuerst an einen Spielwarenladen oder einen Elektronikshop denken. Drinnen werdet ihr von lebensgroßen Doppelgängern berühmter Videospielhelden empfangen, und von den freundlichen Kassierern. Der Eintritt für die gesamte Ausstellung inklusive Besuch in Laras temporärer Berlinresidenz, die am Community Day Mitte Februar noch wenige Kilometer weiter im Osten lag: 8 Euro. Erschwinglich, und für den Umfang des gesamten Museums auf keinen Fall zu viel.
Nur wenige Schritte weiter begrüßt Lara eure Ankunft fast persönlich. Im Eingang zur Ausstellung posieren Statuen und Pappaufsteller verschiedener Jahre, unter anderem die klassische Lara Croft aus ihren Anfangsjahren und der Angel of Darkness. Nun werdet ihr wild geworden sein und nach eurer Spielegöttin verzehrend durch die schmal beginnende Halle stürmen, vorbei an einer wohl vollständigen Ausstellung aller Konsolen der Videospielgeschichte und raumhoch getürmten Quadern aus Infoboxen, teils anspielbaren Demostationen… vorbei an einer Sitzecke mit einem knapp unter der Decke befestigten Fernseher, auf welchem Videos aus unvergessenen Meilensteinen der Videospielgeschichte laufen – es gibt ja noch ein paar andere Spiele außer Tomb Raider – aber Laras Debüt, „Tomb Raider feat. Lara Croft“, ist auch darunter… Stopp, da rechts im Eck… da… ist es? Ja, ein Eck. Breiter hat sich die Gute nicht gemacht. Auf der Fläche eines Studentenzimmers trägt das Computerspielemuseum Berlin Artefakte aus der bald 20-jährigen Geschichte von Lara Croft und Tomb Raider zusammen. Von der Action-Archäologin, Video-Amazone, Pixelgöttin, Sexikone und Teilzeitprofessorin für angewandten Pop-Feminismus, die uns über ihre Videospiele und wohlgemerkt auch SEAT-Werbespots hin und wieder von ihren Abenteuern wissen lässt. Es ist ein bescheidenes Eck, zugegeben, im Verhältnis zur Gesamtfläche dennoch ein stolz erkämpfter Platz. So groß kann also eine Sonderausstellung sein, na gut. Und das hat sie zu bieten…
Über den heiligen Gral werdet ihr hier garantiert nicht stolpern, und Anregungen für einen neuartigen Zugang auch nicht. Im Gegenteil: Dank der drei Spielkonsolen verfallt ihr binnen Sekunden in alte Gewohnheiten und sucht in „Tomb Raider feat. Lara Croft“, „Tomb Raider: Die Chronik“ oder „Tomb Raider: Underworld“ nach Secrets, die hier im Museum sicher niemand versteckt hat.
Die Sonderausstellung begnügt sich mit einer exemplarischen Darstellung. Von allem, was es im TR-Universum gibt, ist hier wirklich nur höchstens ein Beispiel zu bestaunen. Für den Fan und Experten wenig Neues also, außer einer Chronologie der Spielerscheinungen seit 1996 gibt es keine Infotafeln. Von einen Museum erwarte ist jedoch eine Einladung zu neuen und alten Perspektiven. Lara Croft von einer anderen Seite entdecken? Sie neu denken? Vergebens. Lediglich ein Exemplar einer Presseschrift aus der Feminismusforschung, einen Comic und ein Portfolio zum Titel „Tomb Raider: The Angel of Darkness“ sind neben den Spielen selbst zum Anfassen da. An der Wand hängen Artworks berühmter Designer, unter anderem von Figurenerfinder Toby Gard höchstpersönlich. In Vitrinen liegen Merchandise-Produkte aus dem Bestand von www.croft-arts.de aus. Diesen hübschen Anblick runden meterhohe Wandbilder mit einem Motiv aus dem aktuellen Reboot ab. Auf zwei Fernsehern laufen Werbespots und Making-ofs in einem durch. Die Ausstellung spiegelt bei Weitem nicht die Masse und die Klasse wieder, welche in 20 Jahren entstanden sind.
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Für den unbedarften Besucher ist die Sonderausstellung zu Lara Croft gewiss eine nette Bereicherung. Das gesamte Museum ist mehr auf die direkte Erfahrung mit dem Medium ausgelegt, wie die Painstation am besten demonstriert: ein Spielkasten, der dem Spieler die Pfote verbrennt, sie auspeitscht oder einen elektrischen Stoß versetzt, wenn der Gegner einen Punkt erzielt. Infotafeln gibt es zwar auch, aber insgesamt möchten die Betreiber des Museums die Sinne ansprechen und weniger den Intellekt. Um Spiele zu präsentieren, sicher nicht falsch, aber vor allem in Hinblick auf die Sonderausstellung finde ich den rein dokumentarischen Ansatz nicht ausreichend. Museen sind doch dazu da, sich mit wesentlichen Fragen einer Epoche auseinanderzusetzen und neue Perspektiven auf ihre Verbindung zum Menschen zu gewinnen. Das klingt jetzt vielleicht viel verlangt. Aber das Computerspielemuseum ist ein Museum und Spiele sind nicht nur Spiele. Oder lustige Hardwarekiller, von denen wir uns im Alltag so selbstverständlich und gern die Zeit stehlen lassen. Gerade das sollte uns dieses Museum vergegenwärtigen. Museen sind Räume, in denen man selbst Vertrautem anders begegnen kann als gewöhnlich. Denn spielen… kann ich auch zuhause…
Aber zum Schluss noch was Positives: Ein Exemplar aus der Tomb-Raider-Reihe bei einem Museumsbesuch theoretisch durchspielen zu können, ist natürlich ein super Angebot und der beste Weg, einen Eindruck vom Faszinosum zu erhalten. Was hat uns schließlich alle einst zu Fans gemacht? Dass wir ein Spiel von ihr gespielt haben. Selten bekommt ihr so viele Statuen, auch die Reboot-Lara ist dabei, und Pappaufsteller von Lara auf einem Fleck versammelt zu sehen. Und die Artworks großer Namen machen an einer Museumswand gleich viel mehr her als auf einem flimmernden Bildschirm.
Nehmt ihr das ganze Museum, ist es allemal einen Blick wert, ideelle Unterstützung sowieso. Eine Reise nach Berlin extra für die Lara-Croft-Ausstellung lohnt sich für den eingefleischten Fan sicher nicht. Dafür ist sie viel zu klein und lädt nicht … zum Spielen ein. Für dieses Spiel fehlen einige Spielsteine, die wir Fans im Schlaf aufzählen können: Hintergründe zu Laras Entstehung wie Interviews mit den Machern oder Biografien. Erfahrungsberichte von Spielern. Illustre Beispiele für die Bewegungen, die Lara Croft ausgelöst hat, denke man einmal an Lookalike-Contests, Fan-Treffen oder selbstgebaute Levels und ihre Macher. Eine Aufbereitung des wissenschaftlichen Diskurses um Lara Croft im Kontext von Frauenbewegungen, Emanzipation und Sexismus in unserer Gesellschaft. Und viel mehr. Gerade in bezug auf Letzteres vermisse ich den Willen, das Thema strukturiert und allgemein zugänglich aufzubereiten. Vor allem fehlt aber – wie im ganzen Museum – ein roter Faden aus ordnenden Infotafeln, die auf Aspekte aufmerksam machen, ins Bewusstsein rufen, anregen. Ich hätte mir mehr von Laras Geschichte, ihrem Platz in unserer Gesellschaft, dem Zugang zu ihrem Universum und den Themen, die sie und uns bewegen, gewünscht. Immerhin das ist mir durch den Besuch aufgegangen: Lara Croft bietet genug Stoff für ein eigenes Museum.
Zurück zum Anfang, vorbei an den Porträtaufnahmen berühmter Spielentwickler, die im Eingangsbereich hängen. Wir haben nichts mitgehen lassen. Nicht weil es hier nichts gibt, das wir mitnehmen möchten. Sondern weil Indiana Jones und Lara Croft beide auf ihre Weise klargestellt haben: So etwas gehört in ein Museum!