angespielt auf dem Community Day mit Nora Tschirner
Prolog
Am 5. März ist es soweit. Der Reboot von „Tomb Raider“ wird in den Läden stehen. Fünf Jahre haben wir gewartet und jede Nachricht aufgesogen. Ein Pferd für Lara verschwand schon während der Konzeptphase im Nichts, die japanische Insel – für einige Verschwinden die Ursache – hat auch uns in ihren Bann gezogen. Was ist von Lara Croft übrig geblieben? Sagen wir es gleich vorneweg: Das neue „Tomb Raider“ ist ganz anders als seine Vorgänger. Zeitgemäß, cineastisch, handlungsbetont. Mindestens seit 2000 wahrscheinlich das beste „Tomb Raider“ – zugegeben nicht allzu schwierig. Wir sagen nur wahrscheinlich, weil wir den Reboot nicht durchgespielt haben, nur angespielt. Aber es ist nicht nur besser als so viele Vorgänger, es ist auch SO VIEL besser. Im Folgenden möchten wir unsere Eindrücke an euch weitergeben, die wir auf dem Community Day am 16. Februar mit Schauspielerin und Laras neuer Synchronstimme Nora Tschirner sammeln durften. Doch zunächst ein Rückblick.
Quicklink: Das ist dran am neuen „Tomb Raider“
„Skyfall“, wirft der Psychologe seinem Patienten zu. Die Antwort: „Ende.“ Kein weiteres Wort. Bond, mit den Nerven genau dort, flüchtet aus dem psychischen Belastungstest. Eine Szene aus der aktuellen Fortsetzung. 2005 Batman, 2009 Star Trek, 2011 Conan the Barbarian, 2012 Spiderman, (Judge) Dredd und James Bond in „Skyfall“. Im Sommer 2013 Superman in „Man of Steel“, mit Betonung auf seiner übermenschlichen Härte. Es ist das Zeitalter eines Unworts: REBOOT. Wir kennen das auch von Konsolen und Computern, wenn die DVD im Laufwerk hängt. Demnächst steht uns auf unseren Spielgeräten ein Reboot bevor, wie er bei Comics zum guten Ton gehört und in der Filmwelt regelmäßig hitzige Diskussionen entfacht. Crystal Dynamics startet mit Lara Croft von vorn. Fünf Jahre arbeitete die Schmiede, die nach dem Flop von „Angel of Darkness“ anno 2002 Core Design ablöste, an dem neuen Reboot, der schlicht „Tomb Raider“ heißt.
Anders als Bond kann sich Square Enix kaum ein Wort verkneifen und vollführt einen erstklassigen Marketing-Marathon: Regelmäßig erscheinen Promotionvideos auf YouTube, Blicke hinter die Kulissen und sogar Walkthroughs, bevor nur ein Spieler Hand anlegen kann – der Veröffentlichungstermin 5. März rückt näher, zwei Wochen durchhalten noch. Community Manager Meagan Marie füllte mit Reisen rund um die Welt eifrig ihr offizielles Tagebuch und lud zu mehreren Treffen für First Looks. Lara’s Generation besuchte seit Ende 2011 einen Community Day in der Hamburger Zentrale von Square Enix Germany, die Spielemesse E3 in Los Angeles, ließ einen weiteren Community Day in Hamburg aus und … besuchte gerade dieses Wochenende am 16. Februar den Community Day in Berlin, wo der fertige Titel den Fans in deutscher Fassung exklusiv für die Xbox 360 präsentiert wurde. Der Befehl kommt von ganz oben: Lara Crofts Reboot soll ein Erfolg werden! Und Square Enix scheut weder Kosten noch Mühen, überflutet uns mit Infos. So gut wie alle Spieleigenschaften des Reboots werden verraten, nur die Story bleibt weitgehend ein Geheimnis. Die Fans sind gespalten – wollen sie eine neue Lara haben? – ein Skandal über eine angebliche Vergewaltigung onscreen, eine neue Herkunftsgeschichte. Blenden wir all das Getöse der letzten Jahre aus. Konzentration. Wir sind ins Abenteuer gestochen, haben uns durch den neuen Multiplayer geballert und obendrein ein Interview mit Laras neuer Synchronstimme Nora Tschirner für euch erkämpft. Die zentrale Frage: Was ist dran am neuen „Tomb Raider“?
Ankunft in Laras Loft
Irgendwo im verästelten Herzen Berlins, Bezirk Friedrichshain-Mitte, jemand ist frisch eingezogen. Aber nicht irgendjemand. Das blanke Klingelschild gibt einen ersten Hinweis. L. Croft wohnt hier. Diese Frau schreibt tatsächlich ihren Namen an die Tür? Kann es wohl nicht turbulent genug haben. Wir müssen sofort die offene Tür eintreten und das Gelände nach Secrets absuchen. Ein Sprint durch den Gang, noch eine Tür, Ankunft in einem typischen Berliner Hinterhof – eine Schlange – bremst uns aus. Sie endet genau vor einem Wallpaper. Lara, mit einer Kletteraxt auf dem Schoß, verbindet eine Armwunde. Lara empfängt heute geschätzt 50 Personen, die ihr neuestes Abenteuer miterleben wollen.
Die im Landhausstil eingerichtete Stube steht voll mit Konsolen und Essen. Eine schmale Treppe führt hoch in einen gemütlichen Raum, eine Eisenstange führt wieder hinunter. Dort oben werden wir um 16 Uhr die Schuhe ausziehen und uns sportlich unter der Holzverkleidung durchducken, um Nora Tschirner ein paar Fragen zu stellen (Leider konnten wir nicht all unsere Fragen an sie richten, aber das wollen wir nachholen). Unten genießen wir das freie Festessen samt Getränke, das nicht auszugehen scheint. Küchlein, Salate, Gegrilltes, Hamburgerzutaten zum Zusammenstellen nach eigener Wahl. Im hinteren Bereich legen wir noch vor der Begrüßung am großen Bildschirm los, bestaunen das cineastische Intro und kämpfen uns durch die uns vom ersten Community Day bekannte Höhle. Nils von Square Enix begrüßt die Leute zusammen mit Nora sehr entspannt, es gibt kaum Regeln, die Crew ist immer für Fragen da und quatscht viel mit den Gästen. Wir bekommen freie Hand. Zu Beginn sind die acht Konsolen in der Raummitte für den Multiplayer eingerichtet, im Laufe des Abends wandern fast alle Gäste in den Singleplayer-Modus ab. Die einzelnen Fans tauschen sich aus – wer ist für Lara hier, wer für Nora – und kreuzen die Controller. So bleibt es bis in die Abendstunden.
Hier könnt ihr euch ein kleinen Eindruck vom Ambiente verschaffen und seht Nora im kuscheligen Loft mit Lara’s Generation:
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Das ist dran am neuen „Tomb Raider“
Wir spielen mehrere Stunden und vergessen schön die Zeit. Der Singleplayer weiß zu begeistern und zieht sofort in seinen Bann. Nora Tschirner macht als Lara Croft einen sehr guten Job, ihr habt keinen Grund zu heulen. Sids Gedanken zum Multiplayer-Modus findet ihr im Abschnitt zum Multiplayer-Modus.
Durchinszeniert wie ein Film, erinnert der Reboot stark an den Adventuretitel „Dreamfall“, der den Vergleich mit Kinofilmen provozierte. Endlos scheinende Dialoge und ein sehr einfaches Gameplay erstickten das cineastische Erlebnis leider, das der „The Longest Journey“-Nachfolger ohne Frage zu erwecken wusste. Die Erzählung von Laras Ursprungsgeschichte ist das Herz des neuen „Tomb Raider“. Ihr Puls bestimmt alle anderen Spielelemente und jedes Spielelement dient in irgendeiner Form Laras Geschichte. Dadurch wirkt auf den ersten Strecken nichts deplatziert, alles scheint miteinander verbunden. Spannend. Dicht. Atmosphärisch. So ein souveräner Erzähler sucht in der Gameswelt bislang seinesgleichen. Dieses „Tomb Raider“ bringt nicht die Wiederauferstehung, auf die manche seit der letzten Offenbarung (last revelation) 1999 warten. Es hat Mängel. Aber im Gameplay sowie im Storytelling erwarten uns Überraschungen, mit denen so sicher niemand rechnen würde, und diese machen den Reboot auf jeden Fall zu einem würdigen Neuanfang.
Man merkt schnell: Es wird storylastig. Noch nie gesehene Wegbegleiter tummeln sich an Deck der Endurance. Der Reboot hat Startschwierigkeiten. Ein paar papierne Dialogzeilen segeln uns um die Ohren, aller Anfang ist schwer. Schon trennt der verheerende Sturm unsere Seeabenteurer und Lara baumelt mutterseelenallein von der Höhlendecke, als sie zu Besinnung kommt. Videoaufzeichnungen von Laras Freundin und Voice-overs schaffen Rückblenden und Überschneidungen in der Ereigniskette. Rihanna Pratchett und ihre zwei Autorenkollegen wühlen eifrig in der Erzählkiste, um Laras Abenteuer so spannend wie noch nie zu erzählen, und es gelingt ihnen. Wir möchten euch nicht zu viel verraten. Begeben wir uns auf einen möglichst „spoilerfreien Walkthrough“!
Sie lässt sich fühlen. Wir fühlen Lara im Controller. Wie Verletzungen sie schwächen, Schüsse sie aus dem Gleichgewicht bringen. Lara bewegt sich je nachdem schwerfälliger. Dann die Grafik. Auf der Xbox durchaus ein Hingucker, auf einem aktuellen Computersystem wahrscheinlich umso mehr. Die weitläufigen Gebiete verlangen der in die Jahre gekommenen Xbox sicher einiges ab, jedoch kommt es nur ganz selten zu Rucklern. Nils von Square Enix verspricht uns eine prächtige Mischung aus Action, Adventure und Geschicklichkeit. Die zahlreichen Schießereien, bei denen man sich gar nicht so blöd anstellen kann, weil Lara von selbst in Deckung geht, überleben wir ohne große Mühen. Trotzdem wird uns nicht langweilig. Zu Beginn sind die Wege in den Actionsequenzen linear, die Gegner wenden uns großzügig den Rücken zu. Rätsel haben sich nach den ersten Stunden auf der Insel noch nicht sehr viele aufgetan. Türöffnen mit der Axt und Sachen anzünden, entweder durch eine im Vorfeld angezündete Fackel oder Pfeilschuss in eine Laterne, sind bis zur Bergerklimmung hoch zum Funkturm die schwierigsten Rätsel. Dass Lara – die noch kein einziges Grab geöffnet hat – in das ein oder andere Rätsel stolpern wird, das sie nur mit Köpfchen lösen kann, bleibt zu hoffen. Wir sind optimistisch. Auch eine Lara Croft muss zusehen, wo sie auf dem Spielmarkt bleibt. Schießeinlagen sind äußerst beliebt, Crystal Dynamics kann keinen Bogen um sie machen. Andererseits lieferte sich Lara seit der ersten Stunde Schießereien.
Neu hinzugekommene Rollenspielelemente tun dem Spiel sichtlich gut. Und die Erkundung scheint nicht zu kurz zu kommen. Orte haben Wiedererkundungswert, weil anfangs unerreichbare Areale an sie anschließen. Die Kunst liegt dabei nicht im Auffinden fies versteckter Hinweise. Dichte Sträucher versperren ganz offensichtlich den Weg, vielseitig nutzbare Gegenstände fallen sofort ins Auge. Wir wissen also sofort, wohin wir später zurückkehren können, um neues Territorium zu entdecken. Die Herausforderungen wollen mit dem neuen Upgradesystem gemeistert werden. Mit in Kisten und Netzen gelagertem Bergungsgut kann Lara Waffen und Ausrüstung verbessern. Durch Spielerfolge gesammelte Erfahrungspunkte kann sie sich außerdem neue Fähigkeiten freischalten. So verschafft sie sich im Kampf Vorteile und Zutritt zu entlegenen Arealen. Während wir spielen, lernen wir das Erwürgen mit dem Pfeilbogen, das Einsammeln verschossener Pfeile, das Erstechen eines Gegners mit einer Pfeilspitze im Nahkampf. Das neue Hauptmenü – retro angelehnt an das klassische Ringmenü und trotzdem schnell, modern, effizient – ist über die Lagerfeuer zugänglich. An ihnen können wir Upgrades durchführen und Schnellreisen antreten: von Lagerfeuer zu Lagerfeuer einmal quer über die ganze Insel.
Ihre Fähigkeiten verbessern sich Stück für Stück, auch dahinter spüren wir eine behutsam kontrollierte Dramaturgie. Genauso ist das Gameplay in kleinsten Schritten durchgeplant. Immer hält uns eine gewisse Spannung achtsam, auch während wir uns in ruhige Gegenden hineinfinden müssen. Relativ zügig finden wir zum nächsten wichtigen Punkt, an dem uns eine kleine Sequenz oder ein Quicktime-Event erwartet.
Wen die Instinkte im Stich lassen, der hat ja immer noch Laras Überlebensinstinkt per Knopfdruck. Ähnlich wie beim Fernglas in „Tomb Raider: Legend“ vergraut alles Nutzlose, interaktive Elemente erstrahlen golden – sogar Kletterwände. Wem Erkundungen zu blöd sind, der kann sich ganz schnell durch die Gegend manövrieren, indem er alle paar Meter Laras Instinkt zuschaltet. Function Overkill auf eigene Gefahr. Immerhin gibt es keine Klassifizierungen. Tiere erscheinen im selben Gold wie an Seilen schwingende Kisten, auf die Lara klettern kann.
Wäre der Reboot ein Tier, hätte er ein Furcht einflößendes Gebiss – hinter einem durchsichtigen Maulkorb. Lara geht in Gegnernähe automatisch in Deckung. Viele Passagen sind geskriptet. Zwar kennen die Architekten des japanischen Drachendreiecks kaum Schlauchgänge, doch sind Teile des Lösungswegs konzeptuell gesehen genau solche, etwa wenn der Wolf in der Höhle angreift oder Lara zum ersten Mal einen Menschen töten muss. Das Skript blockiert Laras gesamtes Repertoire, es stehen nur ausgewählte Bewegungen oder die berüchtigten Quicktime-Buttons zur Verfügung. Die Linearität und die Klaustrophobie schaffen Kinomomente – aber zu welchem Preis? Für packende Atmosphäre sind die Entwickler von Crystal Dynamics offenbar bereit, ihr letztes Hemd zu verbrennen. Anderes Beispiel: Wenn Lara etwa in luftiger Höhe über einen querliegenden Baumstamm balancieren muss, besteht keine Gefahr. Man kann nichts falsch machen. Jede Bewegung auf dem Baumstamm ist durchchoreographiert, sogar wie sie abrutscht und sich wieder aufrappelt. Der Joystick ist wie die Kurbel an einem Leierkasten. Man kann nur anhalten oder nach vorne drücken – der Unterschied liegt nur darin, wie schnell sich die vorprogrammierte Animation auf dem Streckenabschnitt abspielt. Musikalische Untermalung und Kameraführung sind mit Laras Bewegung exakt synchron, und natürlich sind wir vollständig eingenommen. Doch wäre es nicht besser, wenn wir mehr zu tun bekämen, als nach vorn zu drücken?
Und wenn ich um einen Oldschool-Spaßköpfer in die tödliche Tiefe bitte… An manchen Stellen gestaltet der Reboot ein ganz bestimmtes Erleben aus, erlaubt mir keine eigenen Gestaltungsräume, zugunsten der Atmosphäre und des Storytelling. Natürlich würde ich mich mit einem Spaßköpfer für einen Moment aus dem dichten Spielerlebnis schinden, aber vielleicht ist das ja genau das, was ich will. Die Erzählinstanz im neuen „Tomb Raider“ lässt mir an solchen Stellen keine Luft. Würde ich den Hauch von Gefahr nicht genauso sehr oder noch intensiver spüren, wenn ich vom Baumstamm fallen könnte? Da ist es ein Glück, dass der Maulkorb mit schöner Regelmäßigkeit von der Schnauze rutscht. Das Reboot-Tier kann so dennoch einige Todesküsse verteilen. – Ich persönlich bin dafür, zwei Modi anzubieten: einen cineastischen und einen mit mehr Eigenkontrolle, wenigstens bei erneutem Durchspielen.
Der Reboot demonstriert: Gameplay kann ebenso erzählerisch sein wie Videosequenzen. Wie Lara dazulernt, entsteht vor unseren Augen das Bild einer intelligenten Frau, die mit Improvisation und Körpereinsatz das Beste aus der Situation herausholt und stärker wird. Unsere Knopfdrücke fügen sich hinzu wie Pinselstriche. Dazu muss sich keine „Angel of Darkness“-Lara vor eine Schiebekiste stellen und sagen: „Ich werde stärker.“ Vorbei sind die Zeiten der alten Croft, an der jede Kugel abperlt wie Wasser an einer Lotusblume. Kreuzfeuer führt binnen Sekunden zum Neustart am letzten Checkpoint. Über die kann man sich übrigens nicht beklagen, sie sind an den wohl strategisch besten Punkten platziert und erhalten maximal den Spielfluss. In Hinblick auf die Erzählung sehr sinnig sind die durch Quicktime-Events gestützten Szenen, weil filmische Erzählung und Spielmechanik verschmelzen, auch wenn man über die Art und Weise streiten kann, wie Quicktime-Events starten. Das Spiel schubst uns in eine brenzlige Situation, ohne dass wir uns wehren könnten, und raubt uns beinahe alle Steueroptionen.
Dokumente wie Tagebücher und Reiseberichte aus verschiedenen Epochen enthalten interessante Indizien zum Hintergrund der mysteriösen Ereignisse und regen während des Spielens ordentlich das Kopfkino an. Sie sind quer über die Insel verstreut. Was geht hier vor sich, welche Macht hatte die Königin von Yamatai und wer sind unsere Expeditionsmitglieder? Vor allem die, die mit der einstigen Herrscherin Yamatais verwandt sind, möchten wir uns an dieser Stelle fragen.
Schön, dass Videospiele die einmalige Kraft der Erzählkunst mehr und mehr für sich entdecken. Dieses „Tomb Raider“ soll immerhin in Laras Ursprungsgeschichte einführen. Das ist zentral. Für das neue Universum, das Crystal Dynamics aufbauen will. Für die Figuren, insbesondere für Lara. Für die Beziehung, die wir zu ihr entwickeln. Beim Spielen merken wir richtig, wie jedes Element von der Kamera bis zur Menüführung am Lagerfeuer in die Story eingewoben ist. Und in einem Dialog mit einem undurchsichtigen Weggefährten kommt sogar Sexismus gegen Frauen zur Sprache. Davon wollen wir gerne mehr.
Zum ersten Mal in ihrem Leben muss Lara sich selbst versorgen – wir jagen friedliebende Wesen wie Hirsche, Wildhühner, Hasen und Vögel und weiden sie aus. Nur bei den angriffslustigen Wölfen tut es uns wenig Leid. Die Tierjagd scheint nicht wirklich überlebenswichtig zu sein, doch sorgt sie wie ein Minigame für Abwechslung. Eigentlich zeigt uns der Reboot nur, was Lara auf langen Reisen mit dem geschossenen Getier schon immer getan haben wird. Das Jagdszenario ist halb so wild, Lara schlitzt den Tieren in einer kurzen Bewegung den Bauch auf, gegessen wird hinter der Kamera.
Als ich den Weg zum Funkturm meistern will, um einen Hilferuf zu senden, bleibt die Konsole hängen – jemand hat den Stecker gezogen. Ich habe mit der Axt klettern gelernt, ein paar GPS-Datenstecker und Tagebücher gesammelt, Verschwörungstheorien rund um die verfluchte Insel und ihre eigentümlichen Bewohner gesponnen, bin Laras erste Schritte zu der Heldin, als die wir sie kennen, mitgegangen. Der Community Day geht zu Ende. Wir quetschen noch ein bisschen Nils aus, während das Veranstaltungsteam die Konsolen und Fernseher samt der Controller im Grabräuber-Design wiederverpackt. Wir erfahren von ihm, dass Crystal Dynamics einen völligen Neuanfang versucht. Über Laras familiären Hintergrund schweigt man sich offiziell weitgehend aus. Sicher ist, dass der Familienname Croft unter Archäologen anerkannt ist und dass Lara in einer Bar arbeitet. Keine Aristokratin mehr, die sich in ihrem Anwesen abschottet also. Sie mischt sich unter die Leute. Wir glauben Nils, dass er den Reboot für das beste „Tomb Raider“ aller Zeiten hält, er will uns unbedingt schon jetzt das Ende verraten. „Sollen wir kurz an die Konsole rübergehen?“ Wir können dem Angebot widerstehen, nicht aber den Goodies, die jeder Gast mit nach Hause nehmen darf.