Interview mit Jeremy Heath-Smith, Chef der Lara-Entwickler-Firma „Core Design“
Wie kamen Sie auf die Idee, anstatt eines muskelbepackten, männlichen Helden eine Frau wie Lara zu erfinden?
J.H.S: Das Spiel hatte anfangs einen männlichen Helden. Bei einem Meeting mit unserem Designer-Team zeigte man mir ein Konzept für ein Grabräuber-Spiel. Ich fand, dass es sich toll anhören würde. Sie wollten das Spiel und eine Spielfigur entwerfen. Ich bin zwei Wochen später wieder runtergegangen und auf dem Bildschirm war eine männliche Figur die aussah wie Indiana Jones. Ich sagte ihnen, dass wir ihn auf keinen Fall nehmen können. Er sah genau so aus wie Indiana Jones, mit Hut, Peitsche und Pistole – wir würden verklagt werden. Eine Woche später trafen wir uns erneut. Sie haben viel gearbeitet, wollten mir aber keine Ergebnisse zeigen. Plötzlich sagten Sie: „Was ist damit?“ Und da war Lara – eine weibliche Figur! Ich sagte „Es ist eine Frau! Warum sollte man ein Spiel mit einer weiblichen Figur entwickeln? Seid ihr verrückt?“ Sie sagten, dass eine weibliche Figur viel besser wäre. Sie würde sich besser bewegen – engelgleich … Ich argumentierte, dass alle anderen Spiele große Männer mit großen Muskeln hätten, aber sie wollten diese Figur und ich dachte dass wir sie halt zur Not am Schluss einfach auswechseln können. Das Spiel fing dann mit ihr an, mit den Hintergedanken, dass sie rausfliegen würde, aber sie blieb!
Wie unterscheidet sich Lara von anderen Charakteren und was ist so besonders an ihr?
J.H.S: Schauen wir auf Laras Entstehungszeitpunkt 1996 zurück: die Spice Girls waren gerade sehr erfolgreich, Frauen Power entwickelte sich gerade und in Videospielen hatten wir Figuren wie Sonic the Hedgehog und Mario. Wir hatten diese ganzen merkwürdigen Zeichentrickfiguren und keiner hatte eine menschliche Figur mit der man sich identifizieren konnte. Durch Zufall war das dann Lara und da sie eine Frau war passte sie auch in die Frauen Power Zeit. Wir ritten auf dieser Welle!
Ein Fan sagte, das Tomb Raider das erste Spiel war, das er je gespielt hatte und dass das auch immer so bleiben wird. Wie erklären Sie dieses Phänomen?
J.H.S: Es gibt viele Leute auf die Lara einen riesigen Einfluss hat. Ein holländischer Tomb Raider Fan ist in Verkleidung bis nach London gefahren, um Geld für wohltätige Zwecke zu sammeln. Jeder mag Helden – es gibt Comic-Helden und Film-Helden, warum sollte es nicht auch Videospiel-Helden geben? Ich finde nicht, dass das ein Problem ist wenn Menschen so nah an Videospiel-Figuren kommen. Ich finde es großartig!
Wie lange dauerte Laras Entstehungszeit?
J.H.S: Die Ursprungsidee hatten wir so um 1995. Ich wollte immer ein Spiel machen in dem man in Gräber einsteigt – ein ägyptisches Spiel. Ich fand die Idee eines ägyptischen Spiels klasse. Ich wusste nicht genau wie es werden sollte, aber die Idee in Gräber einzusteigen fand ich cool. Ungefähr ein Jahr später hatten wir ein großes Firmen- Meeting. Wir brauchten neue Spielideen und die erste Playstation kündigte sich an. Ich fragte, was denn nun mit dem Gräberspiel wäre und die anderen fanden es okay, So einfach war das!
Wie konnten Sie einen Charakter erschaffen, der so perfekt in diese Zeit passt und weltweit so viele Menschen fasziniert, sogar zum Idol für viele wurde – egal ob männlich oder weiblich?
J.H.S: Ich kann nicht sagen, wie wir sie erschaffen haben. Wenn du Walt Disney gefragt hättest wie er Mickey Maus erschaffen hat, glaube ich nicht, dass er eine Antwort darauf gehabt hätte. Wenn man berücksichtigt wie sich die Einstellung zu Videospielen veränderte und wie sich die Frauen-Power-Bewegung entwickelte, hatten wir einfach die richtige Figur zur richtigen Zeit. Ich wünschte, ich könnte sagte, das wir das alles geplant haben – haben wir aber nicht. Um ehrlich zu sein: Wir machen Videospiele, und wir haben zufällig eins mit einer Frau gemacht, die einfach in die Zeit passte und man muss heute nicht mehr hinter vorgehaltener Hand sagen, dass man gern Videospiele spielt.
Hatten Sie je das Gefühl: Wow, diese Frau wird ein riesiger Erfolg?
J.H.S: Ungefähr einen Monat bevor wir das Spiel heraus brachten, wussten wir schon, dass es ein großer Erfolg werden würde. Wir wussten es, weil das Telefon nicht mehr aufhörte zu klingeln, und immer mehr Leute fragen „Wann kommt das Spiel raus? Wann kommt das Spiel raus?“. Als es dann endlich draußen war, waren wir begeistert über die Nachfrage. Aber dann fing es alles wieder von vorne an. Zwei Wochen nach Release meldeten sich die Medien, die Zeitungen und Zeitschriften – alle schienen verrückt geworden. Wir dachten: „Was passiert hier??“ Wir begriffen erst zu diesem Zeitpunkt, dass wir etwas ganz besonderes hatten. Dann meldeten sich auch noch die Filmindustrie. Es hat ca. 1 Jahr gedauert, bis wir begriffen haben, was für eine Ikone wir hatten. Wir hatten aber keine Ahnung, dass das Spiel 30 Millionen mal verkauft werden würde und, dass es 2 Filme geben wird. Wie kann man sich so was vorstellen? Es ist verrückt!
Wie viele Leute arbeiten im Team?
J.H.S: Das Hauptteam besteht aus 35 Personen. In der Endphase, wenn alle völlig fertig sind, kommen vielleicht noch 10 dazu.
Was ist der Unterschied zwischen „The Angel of Darkness“ und den anderen Spielen?
J.H.S: Bei „Angel of Darkness“ wissen wir das erste Mal, dass es weitere Folgen geben wird. Bei „Tomb Raider 1“ dachten wir, wir werden nur ein Spiel machen und hatten nie fünf weitere geplant. Bei „Angel of Darkness“ wussten wir, dass die Leute Tomb Raider mögen und konnten uns darauf konzentrieren, was wir verbessern können und konnten ein besseres Ergebnis erzielen. Wir hatten die Möglichkeit „Tomb Raider“ und Lara ins nächsten Level zu bringen. Wir haben nichts verändert, sondern nur verbessert.
Hat Lara Ihr Leben verändert?
J.H.S: Natürlich, Lara hat mein Leben ungeheuer verändert! Ich hatte immer Glück. Ich war schon vor Lara geschäftlich erfolgreich. Aber dann kam Lara – und Boom! Jetzt fliege ich nach Hollywood, ich mache Filme, ich rede mit Dir im Fernsehen…. Natürlich hat sich mein Leben verändert. Sie hat mich sehr reich gemacht, ich habe einen Ferrari, es ist fantastisch. Aber ich arbeite immer noch 18 Stunden am Tag- irgendetwas mache ich falsch.
Können Sie verstehen, dass mache Fans reale Gefühle für eine virtuelle Figur entwickeln?
J.H.S: Manche Fans überschreiten die Grenzen vielleicht ein wenig, aber wo ist denn die Grenze? Vielleicht gehen sie manchmal etwas zu weit, aber jeder hat eine Leidenschaft. Ich habe eine Passion für meine Arbeit, für meine Familie und für Segeln. Wenn sich Menschen also für Videospiele begeistern, wo ist da die Grenze? Ich weiß nicht wo die Grenze ist, aber ich finde, dass manche zu weit gehen.
Und was ist mit Ihnen? Haben Sie Vatergefühle?
J.H.S: Also ich habe eine Grenze!! Aber ich fühle mich für ihre Figur verantwortlich und dafür dass ihre Integrität bewahrt wird. Wir geben viel Geld aus um nackte „Tomb Raiders“ aus dem Netz zu nehmen. Ich will nicht, dass Kinder nackte Laras sehen. Ich habe generell nichts gehen Nacktheit oder Pornographie, aber ich will nicht, dass Lara so gezeigt wird. Warum auch? Es ist lächerlich. Sie existiert nicht. Sie ist eine Computerspiel-Figur. Ich will nicht, dass die Leute TombRaider.com eingeben und auf einer Pornoseite landen. Daran bin ich nicht interessiert. Ich arbeite hart daran solche Sachen zu verhindern.
Kamen Sie je zu einem Punkt, an dem Sie begonnen haben wirklich mit Lara zu sprechen wie mit einer realen Person?
J.H.S: Nein, so verrückt bin ich nicht! Obwohl…manchmal muss man sich vorstellen, dass sie real ist. Sie soll ja im Spiel Dinge tun, die Du auch tun würdest, wenn Du sie wärst. Manchmal muss man sich fragen „Würde Lara das tun?“ Wir werden auch oft gefragt, ob man Lara für Werbung oder ähnliches buchen kann, z.B. für eine Brillen Werbung. Aber Lara trägt keine Brille, also warum würde sie dafür Werbung machen?
Ist Angelina Jolie DIE Lara Croft, die Sie auch wirklich entwickelt haben?
J.H.S: Sie ist großartig! Angelina ist wundervoll! Ich hatte das Glück sie einige Male zu treffen. Ich glaube während sie den Film macht, glaubt sie wirklich Lara zu sein. Sie gibt unglaublich viel. Aber es ist ein bisschen als ob man ein James Bond Fan fragt, wer der beste Bond-Darsteller ist. Wir haben alle unsere Favoriten. Wir hatten bis jetzt nur eine Lara, aber es wird schwer sein sie zu ersetzten.
Wie sieht Laras Zukunft aus?
J.H.S: So lange das Spiel noch gekauft wird und das Interesse noch groß ist, ist die Zukunft von Lara gut, sehr rosig. Ich sehe Ähnlichkeiten zwischen Tomb Raider/Lara Croft und James Bond. Sie ist ein Phänomen – eine weibliche Aktion Figur – wieso können sie nicht parallel zueinander laufen. Wir wollen niemanden kränken, wir wollen nur gute Spiele machen. Sie ist sehr cool. Ich glaube ihre Zukunft sieht sehr gut aus