Ein kurzes Resümé:
Nunmehr drei Jahre ist es her, dass „Tomb Raider 5 – Die Chronik“ erschienen ist. Nach dessen Release und dem kaum zufriedenstellenden Spielende herrschte um Tomb Raider lange Zeit Stille. Gerüchte machten die Runde. Ungewissheit machte sich breit. Wie wird es nach dem vermeintlichen Ende der virtuellen Heldin Lara Henshingly Croft in der Pyramide weitergehen? Hat Lara die Verschüttung überlebt? Was ist in der Zwischenzeit geschehen?
Im März 2001 kam erstmals eine offizielle Aussage von Eidos Interactive: „Lara lebt – wie nie zuvor!“ So oder so ähnlich klang einer der vielen Slogans, mit denen in den letzten zwei Jahren auf den neuen Teil aufmerksam gemacht wurde.
Eidos Interactive, der Publisher der PC- und PS2-Spielereihe Tomb Raider, relaunchte am 21. März die offizielle TR-Seite, in England gab Core Design, Entwicklerfirma von Tomb Raider, eine Pressekonferenz zum neuen TR-Game, an dem die Programmierer die letzten eineinhalb Jahre gearbeitet hatten. Erstes, gegebenes Releasedate war der 15. November 2002. Doch das Releasedate wurde immer weiter verschoben, bis Juli 2003.
Mittlerweile ist TR6 erschienen. Der Engel der Dunkelheit dabei, von einem Wahnsinnigen Alchemisten wiedererewckt zu werden – ein Vorhaben, das Lara auffordert, es zu verhindern!
Core Design hat mit TAoD einen Neuanfang und eine zweite Revolution der Spielewelt im Auge gehabt, haben die eigentlichen Erfinder eines 1996 neu gewesenen Genres ihr Ziel erreicht?
Story:
Lara Croft hat die Ereignisse in Ägypten überlebt.
Ihr Mentor Werner von Croy, der sie in Ägypten Laras Auffassung nach im Stich ließ, ruft Lara von Paris aus an. Sie solle doch bitte nach Paris fliegen und ihm bei einem Auftrag helfen. Der Auftrag sei von einem Eckhardt erteilt worden. Es ginge dabei um fünf mysteriöse Gemälde aus dem 14. Jahrhundert. In Paris geschehen unheimliche Dinge, ein „Monster“ teibt sein Unwesen und hat inzwischen an die 22 Ritualmorde begangen.
Miss Croft folgt Werners Bitte und begibt sich nach Paris in seine Wohnung. Ein Streit entfacht zwischen den beiden. Nach dem Streit ist Werner plötzlich tot. Lara aber kann sich an nichts mehr erinnern. Lara ist logischerweise die Hauptverdächtige und wird von nun an von der Pariser Polizei verfolgt. Ab hier übernimmt der Spieler.
Der weitere Verlauf der Geschichte wird in InGame-Sequenzen und teilweise auch in Video-Sequenzen erzählt. Die Story an sich ist packend und wird gut erzählt, vor allem überrascht sie durch zahlreiche Wendungen.
TaoD ist der sechste Teil der TR-Serie und gleichzeitig als erster Teil einer Trilogie geplant. Kurtis Trent, der ein paar Levels lang spielbar ist, wurde sehr gut in die Story eingearbeitet und trägt zur Vielschichtigkeit bei. Das gegenseitige „Beschnuppern“ zwischen den zwei Abenteurern Lara und Kurtis ist oftmals amüsant und weckt das Interesse am Spiel, das mancher Spieler bis zu Kurtis’ erstem Auftritt verloren haben mag. „Leider“ ist die Story das Beste am gesamten Spiel.
Grafik: In den letzten drei Jahren hat sich viel getan, nicht nur in der ganzen Spielewelt, sondern auch im verhältnismäßig kleinen TR-Universum. Die Grafik besticht stellenweise durch ihre Buntheit, hauptsächlich beherrschen Braun- und Blautöne die Atmosphäre, die sich deutlich von den alten TR-Teilen abhebt. Sie ist düsterer und insgesamt bedrohlicher. Der Hauptteil des Spieles ist (wieder) „leider“ nicht einmal halb so düster und bedrohlich. Inzwischen ist die Grafik verglichen mit derzeitigen Spielen auf dem Markt veraltet, nichtsdestotrotz schön zum Ansehen. Bei der Beleuchtung der Levels wurde sich Mühe gegeben. Gespart wurde allerdings an der Texturenqualität, die Objekte sind dafür größtenteils optimal detailliert. Eine Ausnahme stellen die Gegner dar, die wider aller Ankündigungen nur sehr selten auftreten.
Sound: Die gesamte Musikuntermalung wurde vom London Symphony Orchestra unter der Leitung von Peter Connelly eingespielt. Peter Connelly hat die Musik komponiert. Seit TRIII ist Connelly mit von der Partie. Nachdem Nathan McCree, der für die ersten drei Teile die Musik komponiert hat, sich von Tomb Raider abgewandt hat, hat Peter Connelly seinen Platz eingenommen. Die Musik ist sehr stimmig und sehr atmosphärisch. Hier wurde 1A Arbeit geleistet. Da besonders feminine Instrumente verwendet wurden (Oboe, Fagott usw.), passt der Sound trotz der stets melancholischen Stimmung zur Titelheldin. Man kann sich hier streiten, ob die Musik besser ist als die Story, ohne das eine käme jedenfalls das andere nur halb so gut rüber.
Gameplay: Hier hapert es gewaltig. Das Gameplay zerstört alles! Das gesamte Spiel wirkt bis auf Story und Sound unfertig. Sind es die technischen Mängel oder ist es das „Da fehlt doch was“-Gefühl – das Gameplay wird durch Störfaktoren zunichte gemacht, die man hätte ausbügeln können. Die neuen Elemente, die Core Design der Spielergemeinde versprochen hat, sind nur teils eingebaut und passen nicht in das Gefüge. Stealth-Einlagen und Upgrade-System sind implementiert worden, finden aber kaum Verwendung oder wirken ins Spiel „hineingedrückt“.
Die KI der Gegner ist extrem beschränkt und hat den Titel „dümmste KI des Jahres“ verdient. Gegner rennen in Wände wie nie zuvor und leiden allesamt unter dem grauen Star.
Die Fähigkeiten von Lara verbessern sich nicht stetig, sondern nur durch bestimmte Aktionen. Lara kann so viele Kisten ziehen und schieben wie sie will, es ist aber nur DIE eine Kiste, die Lara mehr Kraft verleiht, so komisch das klingen mag. Also können Laras Fähigkeiten nur verbessert werden, wenn der Leveldesigner es so geplant hat und auch nur so, wie dieser es geplant hat. Die ganze Welt in TAoD wirkt riesig und immens, ist aber nicht wirklich greifbar – unsichtbare Wände stehen an der Tagesordnung. Als Spieler fühlt man sich in den Levels eingeschränkt. Überhaupt gibt es in den groß wirkenden Bereichen nur wenig zu tun.
Die Rätsel sind alle im Rahmen des Machbaren, oft allerdings unlogisch und nicht nachvollziehbar. Von den alten TR-Elementen ist nur noch wenig zu sehen. Nach einer Aussage von Adrian Smith wurden diese Elemente nur eingebaut, um Fans der alten Teile zufriedenzustellen. Ob nun die neuen oder die alten Elemente, sie alle sind leider nur sehr dürftig ins Spiel eingearbeitet.
Für viele Spieler ebenso störend ist die Steuerung. Lara lässt sich noch schlechter steuern als in den vorgegangenen TR-Teilen. Zwar ist Lara nur anfangs in Paris langsam zu Fuß und wird durch Training schneller, unhandlich lässt sie sich trotzdem noch im späteren Verlauf des Spiels an. Lara hat dazu gelernt, nun kann sie wie gesagt sich von hinten anschleichen und Gegnern das Genick brechen, an Stangen entlang hangeln und Gegner mit Schlägen und Tritten traktieren. Dafür aber hat sie die Rolle in der Luft sowie das Springen und zeitgleiche Ballern, das Balancieren am Seil verlernt.
Die Animationen an sich sind sehr schön und weich, auch sehr realistisch. Die Übergänge von einer Animation zur anderen sind allerdings sehr „hakig“. Dieser Umstand ist auch mit der miesen Steuerung verbunden. Übrigens haben beide Steuerungen, die der PS2 und die des PC, ihre Nachteile, insbesondere bei Kämpfen. Sehr zu schaffen macht das den Spieler bei den übermäßig schweren Stellen bei einem Geist, der eines der Obscura-Gemälde bewacht und einer mutierten Kumpanin des Bösewichts Eckhardt, der Auftraggeber und Alchemist, der vorhat, die Nephilim (biblische Geschöpfe) wiederzuerwecken.
Kurtis ist sogar noch schwergängiger als Lara.
Seine Passagen spielen sich noch liebloser und unfertiger als Laras.
Die Städte Paris und Prag, Katakomben und ein Sanatorium sind die Schauplätze des Spiels.
Somit bietet das Spiel auch relativ viel Abwechslung. Leider aber hat man nie richtig das Gefühl, die Umgebungen erforschen zu können. Dank der üppigen Lichteffekte macht es in manchen Gebieten dennoch Spaß, die Sicht einfach zu genießen und auf sich einwirken zu lassen.
Neu ist auch die Möglichkeit, mit anderen Charakteren zu reden. Die Gespräche mit Gestalten der Pariser Unterwelt haben jedoch wenig Einfluss auf den weiteren Spielverlauf, höchstens auf die nächsten paar Spielminuten. Auch dieses neue Element, welches für Adventures und Rollenspiele sehr typisch ist, würde man kaum vermissen, würde man es aus dem Spiel wie vieles andere in letzter Sekunde entfernt wurde, streichen.
Technisch gesehen…:
Die Verkaufsversion ist nicht mehr als eine Beta! Überall im Spiel trifft man auf Bugs, die alle hätten vermieden werden können.
Schon bei der Installationsroutine beginnen die Schwierigkeiten. TAoD verträgt sich weder mit neuen noch mit alten Treibern mancher Grafikkarten. Die Konfiguration grenzt an einem Glücksspiel.
Hat man es geschafft, das Spiel zum Laufen zu bekommen, hat man erst eine vieler Hürden überwunden. Bei vielen Spielern werden die *.mpg-Videos nicht automatisch abgespielt. Der releaste Patch hilft auch nicht immer.
Charakteren fehlen Texturen, sind somit durchsichtig und sehen aus wie Monster. Im Spiel sind manchmal, besonders im Sanatorium, ganze Wandabschnitte ohne Texturen. Obwohl man nur einmal mit einer Waffe abdrückt, werden zwei Schüsse abgezogen, im Menü werden mehr Objekte angezeigt als man hat, das Spiel bleibt plötzlich hängen und zerschießt (beim PC) Teile des Systems…
Kurz vor Release wurden plötzlich viele Areale aus dem Spiel entfernt oder umgeändert, Gegner wurden entfernt, und, und, und.
Fazit:
TAoD hat gewiss das Potential zu einem Hit (gehabt), doch ist das Spiel so, wie es auf den Markt geworfen wurde, komplett unausgereift. Das Spiel hat noch viel zu viele Fehler (besonders technisch) und wirkt an allen Ecken und Enden unfertig. Core Design hätte lernen sollen, dass ein Spiel nicht besser wird, indem man sich von jedem Genre ein bisschen nimmt und wild zusammenmischt, dabei das alte Erfolgsrezept beiseite legt. Gute Ansätze, schlecht in der Ausführung.
Aus genannten Gründen kann man dem Spiel leider nicht mehr geben als 45%. Wäre Lara Croft Tomb Raider: The Angel of Darkness technisch ausgereifter und wäre es Core Design besser gelungen, die Spielelemente, besonders, was die Interaktionsmöglichkeiten anbelangt, mit dem Rest des Titels zu verstricken.